Reifendruckkontrollsysteme werden für neu zugelassene Nutzfahrzeuge Pflicht
Sicherheitsgewinn rechtfertigt Mehraufwand
- Ausstattungspflicht gilt für Lkw, Busse und schwere Anhänger
- Ziel: Reifenschäden verhindern oder schneller erkennen
- Ausfall eines Nutzfahrzeugreifens birgt große Risiken
Was für Pkw schon seit Jahren gilt, betrifft bald auch Nutzfahrzeuge: Vom 1. Juli 2024 an werden Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) auch für in der EU neu zugelassene Lkw, Busse und schwere Anhänger zur Pflichtausstattung. „Das bedeutet mehr Aufwand und Herausforderungen für Transportunternehmen und die Reifenservice-Branche. Andererseits bringt die Neuerung einen wertvollen Zugewinn an Sicherheit“, so Christian Koch, Unfallanalytiker und Reifenexperte bei der Sachverständigenorganisation DEKRA.
Die Ausstattungspflicht gilt für alle neu zugelassenen Fahrzeuge der Klassen N1 bis N3 (Lkw), M1 bis M3 (Busse und Wohnmobile) sowie O3 und O4 (Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen, darunter auch Sattelauflieger). „Besondere Herausforderungen entstehen für die Nutzer immer dann, wenn die Fahrzeuge und Anhänger in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden“, erklärt der Sachverständige. „Zum Beispiel, wenn ein Sattelauflieger auf Zug oder Fähre verladen und am Ziel von einer anderen Zugmaschine übernommen wird, muss die Ausstattung in Sachen RDKS aufeinander abgestimmt sein.“
Nicht trivial ist auch der mobile Reifenservice, gerade für Anhänger oder Sattelauflieger, die dabei oft ohne Zugfahrzeug dastehen. „Wenn ein Reifen ausgetauscht wird, muss das RDKS in der Regel wieder kalibriert oder ‚angelernt‘ werden. Die Frage wird dann sein: Wie kommuniziert das RDKS mit dem Zugfahrzeug, wenn wieder angekoppelt wird? Und: Was ist überhaupt der richtige Fülldruck?“, so Koch. Denn Nutzfahrzeugreifen sind wesentlich komplexer zu handhaben als ihre Pendants bei Pkw – vor allem, weil der Fülldruck je nach Beladung und Einsatzart viel stärker variiert werden muss. Hinzu kommen unterschiedliche Arten von RDKS. „Man muss sich wirklich intensiv mit dem Thema beschäftigen, um die beste Lösung einzusetzen“, sagt der Experte.
Dass all das den Aufwand und die Komplexität in der Transportbranche erhöhen wird, ist aus seiner Sicht unstrittig. „Es gibt auch immer noch einige offene Fragen, die in der Reifenbranche diskutiert werden. Klar ist aber: Dieser Einsatz wird sich lohnen“, ist Koch überzeugt.
Reifenschäden sind häufige Pannen- und Unfallursache
Zum einen sind Reifenschäden gerade bei Nutzfahrzeugen die Pannenursache Nummer eins. Ein Großteil dieser Schäden könnte durch RDKS verhindert werden, indem der passende Fülldruck gefahren und ein eventueller schleichender Druckverlust erkannt wird.
„Der Ausfall eines Reifens kann nicht nur zu einer Panne führen, sondern auch zu schweren Unfällen“, sagt der DEKRA Experte. Doch auch wenn ein Lkw nach dem Reifenschaden noch steuerbar ist und nicht selbst verunglückt, entstehen Sicherheitsrisiken: Ein Lkw-Reifen allein kann bis zu 60 kg wiegen. Wenn nach einem Reifenschaden Teile umherfliegen, sind andere Verkehrsteilnehmer in großer Gefahr.
Auch beim Thema Nachhaltigkeit haben RDKS einen positiven Einfluss. Denn Reifen, die mit dem richtigen Fülldruck gefahren werden, halten zum einen länger und minimieren zum anderen den Kraftstoffverbrauch.
„Der Einsatz von Reifendruckkontrollsystemen ist ein wichtiger Baustein, der dazu beiträgt, dass Nutzfahrzeugreifen sicher und wirtschaftlich betrieben werden können. Der Mehraufwand wird hierdurch aus unserer Sicht in jedem Fall mehr als aufgewogen“, sagt Koch.